In der leicht gewellten Landschaft am Westhang der Ville liegt, rund 23 Kilometer südwestlich von Köln, der Ort Bliesheim. Bereits in vorrömischer Zeit dürfte es in der Gegend Siedlungen gegeben haben, die ersten gesicherten Siedlungsspuren stammen aus römischer Zeit. Auch im Mittelalter ist das nähere Gebiet um Bliesheim stets besiedelt gewesen; in einer Urkunde aus dem Jahre 1075 wird der Ort – "Blisna" genannt – erstmals erwähnt. Heute gehört die rund 3500 Einwohner zählende Gemeinde zur Stadt Erftstadt im Rhein-Erft-Kreis.
Die kirchlichen Ursprünge Bliesheims reichen bis in das frühe Mittelalter zurück. Die erste Kirche wurde als Eigenkirche eines fränkischen Fronhofes errichtet, der sich in der Nähe eines römischen Landgutes befand. Es ist aber nicht geklärt, wann die Kirche gebaut wurde und wann Hof und Kirche in den Besitz des Kölner Erzbischofs gelangten. Über die Gestalt der ersten Kirche liegen keine Erkenntnisse vor, vermutlich handelte es sich um einen einfachen Holz- oder Fachwerkbau. Dieser wurde im 11. Jahrhundert durch einen schlichten Steinbau ersetzt. Die einschiffige romanische Saalkirche mit vorgestelltem Westturm und rechteckigem Chor wurde im 17. und 18. Jahrhundert mehrfach erweitert und diente bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts als Pfarrkirche.
Im Jahre 1856 begannen die Planungen für einen großen Neubau. Da das Grundstück der alten Kirche ungeeignet war, beschloss der Gemeinderat 1859, das neue Gotteshaus in der Mitte des Ortes zu errichten. Der Entwurf für den neuromanischen Backsteinbau stammt aus der Feder des Kölner Landbaumeisters Ferdinand August Robert Cremer (1826 – 1882). Am 24. September 1860 wurde der Grundstein gelegt, am 30. Januar 1863 erhielt der Bau seine vorläufige Weihe, am 29. August 1866 die feierliche Konsekration und das Patronat der Vorgängerkirche St. Lambertus. Die alte Kirche wurde abgebrochen.
Bereits im Jahre 1867 stiftete die Familie Wynand die Mariensäule auf dem Vorplatz der Kirche. Die gut fünf Meter hohe Säule aus Sandstein ist ein Werk des Bonner Bildhauers Josef Olzem. Ursprünglich schaute die Gottesmutter nach Norden, doch bei der letzten großen Restaurierung von St. Lambertus in den 1990er Jahren wurde ihre Position geändert: Sie blickt nun nach Westen und betont damit die Ost-West-Ausrichtung des hinter ihr liegenden Bauwerks. An diesem fällt zuerst der mächtige, 54 Meter hohe Turm ins Auge, der den Ortskern und die Landschaft weithin sichtbar beherrscht. Der sechsgeschossige Turm auf quadratischem Grundriss erhebt sich vor dem Mittelschiff und wird durch Gurtgesimse, Rundbogenfriese, ein großes Zwillingsfenster im zweiten Geschoss und Rundbogenfenstern mit Mittelsäule abwechslungsreich gegliedert. Seinen Abschluss findet der Turm in einem spitzen, achtseitig gebrochenen und verschieferten Knickhelm.
Da der Bauplatz von St. Lambertus nach Nordosten hin leicht abfiel, musste das Terrain mit Fundamenterde aufgefüllt werden. An den Umfassungsmauern im Norden und Osten ist noch heute zu erkennen, dass die Kirche auf einem künstlichen Plateau steht. Ebenso wie der Turm scheint auch das Mittelschiff intensiv in die Höhe zu streben, denn es besitzt die zweifache Höhe der Seitenschiffe. Die Rundbogenfenster im Obergaden sind dicht zu Paaren aneinandergerückt; in den darunter liegenden Seitenschiffen gliedern einfache Lisenen die Wände in drei gleich große Flächen. Diese werden von je zwei Rundbogenfenstern durchbrochen und unter der Traufe von Rundbogenfriesen abgeschlossen.
Im Erdgeschoss des Turmes befindet sich das Hauptportal; sein Gewände ist zweifach gestuft und geht über den Säulenpaaren in einen breiten Bogen über. Das halbrunde Fenster über dem zweiflügeligen Bronzeportal dient der Belichtung der Turmhalle. Die beiden Seitenportale sind hingegen schmaler und etwas einfacher gestaltet. Im Osten schließt ein Chor mit halbrunder Apsis das Gebäude ab. Die Mauerfläche der Apsis wird nur von fünf Rundbogenfenstern und einem Rundbogenfries unter dem Gesims des Halbkegeldaches gegliedert. Die 1961 in modernen Formen errichtete Sakristei stört ein wenig das symmetrische Gesamtbild, denn sie reicht über die südliche Seitenschiffwand und den Apsisscheitel hinaus. Ihre Ostwand besteht aus einer Bleiverglasung in einer Stahlrahmenkonstruktion.
Nicht nur die Bauelemente des Außenbaus, sondern erst recht der Grundriss von St. Lambertus verweisen auf die Baukunst der Romanik. Robert Cremer konzipierte eine dreischiffige Pfeilerbasilika ohne Querschiff; die Seitenschiffe enden in außen eckig umbauten Halbrundapsiden, das Mittelschiff in einem querrechteckigen Chorjoch mit halbrunder Apsis. Die Kreuzgratgewölbe entsprechen dem in der Romanik entwickelten gebundenen System: Einem quadratischen Mittelschiffjoch entsprechen je zwei quadratische Joche von halber Länge in den Seitenschiffen.
Beim Eintritt in das von Kreuzgratgewölben bedeckte Mittelschiff wird der Blick zwangsläufig in den Altarraum gelenkt. Wohlproportionierte Rundbogenarkaden auf kräftigen Pfeilern bilden den Übergang vom Hauptschiff in die Seitenschiffe. Ein monumentaler Triumphbogen bezeichnet den Wechsel vom Mittelschiff in den Chorraum, dieser ist um drei Stufen erhöht und ebenfalls von einem Kreuzgratgewölbe überdeckt. Besondere Aufmerksamkeit verdient die gelungene Ausmalung des Kircheninneren. Während der letzten Renovierung (1992 – 1994) wurden unter anderem die Kapitelle farblich gefasst und die Kreuzgratgewölbe in allen Schiffen mit Rankenwerk verziert. Die Ausmalung des Innenraumes betont das Prinzip der klaren und einfachen Gliederung, das bereits an der Außenarchitektur zu beobachten war.
Dem Prinzip der ausgeglichenen Proportionen folgt auch die Anordnung der Ausstattung im Innenraum. Blickfang ist zunächst der Hochaltar im Zentrum der Chorapsis. Ein Unterbau mit vier Doppelsäulen aus rotem Marmor trägt den Tabernakel, der rechts und links von je einem Relief mit Szenen aus dem Leben Jesu gerahmt wird. Die Tabernakeltüren aus vergoldetem Kupfer zeigen die Verkündigung Mariens; über dem Tabernakel erhebt sich eine von vier gelben Marmorsäulen getragene Kuppel, die schließlich von einem goldenen Kreuz bekrönt wird. Formen und Ornamente lassen leicht erkennen, dass Carl Muschard romanische und gotische Stilelemente kombiniert hat. Die große Herz-Jesu-Figur auf einer Konsole am nördlichen Pfeiler des Chores ist ein Werk des Günzburger Bildhauers Hans Hirsch aus dem Jahre 1929. Die gegenüber stehende spätgotische Mondsichelmadonna ist allerdings 400 Jahre älter – sie ist ein Werk des so genannten Von-Carben-Meisters, stammt aus der alten Kirche und wird in die Zeit um 1510 datiert. Sie wird begleitet von zwei Leuchterengeln an der Apsiswand zu beiden Seiten des Hochaltars, die ebenfalls um 1510 angefertigt wurden.
Zur Ausstattung des Chorraumes gehören auch zwei Objekte aus neuerer Zeit. Seit 1996 steht im Zentrum des Altarraumes der Zelebrationsaltar aus rotem Eifelsandstein. Nahtlos geht die Altarplatte in vier Pfeiler über, die von dreifach gewundenen Tauen umschlungen werden. Die Taue verleihen dem Altar nicht nur eine eindringliche Symbolik, sondern enthalten in ihrem Zentrum unter der Platte auch den Altarstein mit den Reliquien. Dem wuchtigen Altar steht ein graziler Ambo aus Eisenguss zur Seite. Das Lesepult ersetzte 1964 die Kanzel und ist ein Werk des Kölner Bildhauers Walter Prinz; die runde Plakette auf der Vorderseite enthält eine Darstellung der ersten der acht Seligpreisungen – "Freuen dürfen sich alle, die mit leeren Händen vor Gott stehen". Den gesamten Altarraum beherrscht aus luftiger Höhe ein großes Kruzifix.
In der Apsis des südlichen Seitenschiffes zieht ein aufwändig gerahmtes Gemälde einer Maria mit Kind den Blick auf sich. Der Altar im nördlichen Seitenschiff korrespondiert stilistisch mit dem Hauptaltar; das Zentrum des Altaraufsatzes bildet ein auf Kupfer gemaltes Bild der Heiligen Familie. An den Arkadenpfeilern im Mittelschiff sind einige kleinere, farbig gefasste Holzskulpturen zu sehen, beispielsweise ein heiliger Rochus, eine Pietà und eine Anna Selbdritt. Die Orgel auf der hölzernen Empore ist seit 1865 Bestandteil der Ausstattung von St. Lambertus, erfuhr jedoch im letzten Jahrhundert einige Umbauten und Instandsetzungen.
Eine sehenswerte Besonderheit in St. Lambertus sind die Fenster: Sie stammen alle vom Beginn des 20. Jahrhunderts und sind vollständig erhalten. Da sie sich durchweg an mittelalterlichen Vorbildern orientieren, sind sie ein bedeutendes Zeugnis des Historismus. Zwei der seitlichen Fenster in der Chorapsis zeigen bedeutende Szenen aus dem Leben des Kirchenpatrons, das mittlere ein Bildnis Mariens in einer Mandorla als Symbol der Unbefleckten Empfängnis. Die Fenster in den Seitenschiffen enthalten biblische Motive und Bildnisse von Heiligen. Von der Spätgotik über die Neoromanik und Neugotik bis zur Moderne – St. Lambertus in Bliesheim bietet einen kleinen aber feinen Gang durch mehr als 500 Jahre Kunst- und Architekturgeschichte.
 

Fotos und Text: Dr. Christian Frommert


Literatur: Frank Bartsch, St. Lambertus in Erftstadt-Bliesheim, Köln 2003 [Rheinische Kunststätten, Heft 477, ISBN 3-88094-908-5]
 


Anschrift:
Kath. Pfarramt St. Lambertus
Frankenstraße 30
50374 Erftstadt-Bliesheim
Tel. 02235 – 2643

Aktuelle Informationen erhalten Sie unter www.pfarrverband-erftstadt-ville.de
 


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